Die Gegenwart der Vergangheit (Teil 1)

"Wo sind Sie? Wer sind Sie? Und warum schmerzt Ihnen Ihr Kopf so sehr? Sie können sich an überhaupt nichts mehr erinnern. Wie sind Sie wohl auf diesen Felsvorsprung gelangt? Was suchen Sie überhaupt hier am Rande eines Vulkankraters? Weit über eine Insel verstreut sehen Sie mehrere Dörfer, die Ihnen nicht ganz fremd vorkommen. Sie sind Sich jedoch sicher, dass Sie noch nie auf dieser Insel waren und haben trotzdem das Gefühl, die Gegend wie Ihre Heimat zu kennen. Heimat! Nur ganz kurz hatten Sie ein klares Bild einer Frau vor Augen. War das Ihre Mutter? Sie müssen erkennen, dass Sie nichts mehr über Ihre Vergangenheit wissen. Ganz wage können Sie Sich noch an einen Namen erinnern: Graflan. Ist dies etwa Ihr Name, der Ihres Vater oder derjenige Ihres Freundes?

Es hilft alles nichts. Sie müssen sich damit abfinden, dass Sie alle Ihre Erinnerungen an Ihr bisheriges Leben verloren haben. Nun stellt sich natürlich die Frage, was Sie nun tun sollen. Der erste Entschluss ist schnell gefasst. Sie richten Sich auf, nehmen die neben Ihnen liegende Schwinge und schnallen Sich den Rucksack um. Danach versuchen Sie auf einem kleinen Sims Sich an einen sichereren Ort zu begeben. Wer weiss, ob Sie hier nicht mit plötzlich herunterkommenden Steinen rechnen müssen?

Sie tasten Sich langsam vorwärts. Zwar hat Ihnen niemand versprochen, dass Ihr Weg leicht werden würde, aber so schwer haben Sie ihn sich doch nicht vorgestellt. Auf der einen Seite können Sie Sich fast nicht festhalten, da die wenigen Halt zu geben scheinenden Steine Sich sofort aus der Felswand lösen und auf der anderen Seite geht es mehr als hundert Schritt in die Tiefe. Zu allem Elend verschmälert sich nun auch noch Ihr ohnehin schon zu schmaler Sims.

Als Sie Sich gerade überlegen, ob Sie umkehren sollten, gehen Ihnen wieder so sonderbare Gedanken durch den Kopf:Sie sehen sich am Rande eines Sees stehen und hineinstarren. Über Ihre Wangen kullern Tränen. Irgendje-mand liegt dort im Wasser. Doch wer ist es? So sehr Sie Sich auch bemühen das Gesicht oder wenigstens die Haar-farbe zu erkennen, Sie schaffen es nicht.

Ihnen wird nach diesen Gedanken ganz bang ums Herz. So als ob das Leben einer von Ihnen geliebten Person davon abhängt ob Sie Sich erinnern oder nicht. Doch als Sie wieder aus Ihrer Traumwelt auftauchen befinden Sie Sich immer noch in der gleichen misslichen Lage auf dem sich zuneh-mend verkleinernden Felsvorsprung.

Nur noch einen letzten, verzweifelten Versuch um den folgenden Felsvorsprung herum, wollen Sie Sich erlauben. Eigendlich haben Sie schon alle Hoffnungen aufgegeben, bis Sie um diesen Vorsprung herumspähen und sich den Sims verbreitern sehen. Ihre Freude ist grenzenlos! Nicht nur, weil Sie wieder neuen Mut gefasst haben, sonder auch, weil sich über diesen Sims eine Wiese erreichen lässt, die einen einfachen Abstieg verspricht.

Mit neuer Kraft bringen Sie das letzte Stück der Felswand hinter Sich. Die Wiese erscheint in der schon roten Sonne mystisch und paradiesisch zugleich. Aber all dieser Zauber der Natur vermag Sie nicht von einem unguten Gefühl in der Bauchgegend befreien. Je weiter die Zeit voran schreitet, desto stärker wird das Gefühl. Nicht etwa, dass Sie Angst hätten! Viel eher lässt sich das Gefühl als unheilvolle Ahnung umschreiben.

Noch ganz in Gedanken versunken erreichen Sie beim letzten Tageslicht ein am Fusse des Vulkans liegendes Dorf. Es ist nicht verwunderlich, dass Ihnen kein Einlass in die Hütten gewährt wird, sind doch normalerweise um diese Zeit unterwegs nur noch Schurken und unheilbringen Gestallten noch .Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als irgendwo ausserhalb des Dorfes ein Plätzchen zum Schlafen zu suchen. Sie sind so müde, dass es Ihnen völlig egal ist, wo Sie über-nachten. Irgendwie scheinen Sie sich aber vor Nächten im Freien zu fürch-ten. Als Sie Sich hinlegen, fahren Sie zufällig mit der Hand an Ihrem rechten Ohr vorbei. Sie ertasten etwas in Ihrem Ohr. Überrascht begutachten Sie Ihren Fund. Es handelt sich um eine Münze, die nicht einmal die Grösse Ihres kleinen Fingernagel über-trifft. Sie wurde aus Gold und Silber gefertigt. Auf der goldenen Unterlage sind hauchdünne silberne Fäden in Form eines Fabeltieres eingearbeitet. So genau , wie hier gearbeitet wurde kann Ihrer Meinung nach kein Goldschmied arbeiten. Auf der Rückseite der Münze ist eine in sich verschlungene Linie zu erkennen.

In dieser Nacht schlafen Sie wie ein Murmeltier. Wer würde das nach einem so anstrengenden Tag nicht tun? Am Morgen wachen Sie mit dem Wissen auf etwas geträumt zu haben. Doch was? Sie können sich nicht erinnern. Mit einem unguten Gefühl, dass Ihnen die Zeit davonrennt begeben Sie sich ins Dorf.