Pfadfinder (Fragment)

Als ich an jenem Morgen aufstand und keine Vögel in den Gebüschen singen hörte, wusste ich, dass uns das Schicksal für jenen Tag grosses Übel vorgesehen hatte.
Es war über Nacht kühl geworden und ein kalter Wind blies von den Gipfeln ins Tal. Es war einer jener Winde, der Regen verhiess. Auch wenn wir den Regen dringend brauchten, damit der Bach durch unser Tal nicht versiegen würde, so war er ebenso eine Gefahr. Je nach Stärke des Regens konnte der Bach zu einem reissenden Strom werden, über seine Ufer treten und alles vernichten, was wir in der letzten Zeit angepflanzt hatten.
Oh, wie hatten sie gelacht, als meine Familie beschloss nicht mehr auf der Suche nach Essen weiter zu ziehen, sondern die Nahrung der Natur abzuringen. Dabei war es gar nicht mal so abwegig. Erzählungen, dass die Bewohner der Ebenen das auch tun würden, gab es schon lange. Und das Tal mit den üppig bewachsenen, nicht allzu steilen Hängen, schien der perfekte Ort dafür zu sein.
Zugegeben, so leicht wie wir es uns damals vorgestellt hatten, war es nicht. Man konnte nicht einfach Pflanzen ausreissen und an einem andern Ort wieder in den Boden stecken. Damals gingen viele Pflanzen ein, bis wir vom Geheimnis ihrer Wurzeln erfuhren. Und auch das Wissen um das Leben im Samen hatten wir zu Beginn noch nicht. Während wir letzteres, zugegeben mehr durch Zufall, kennen lernten, als wir gesammelte Körner zu lange liegen liessen, so erfuhr mein Vater von dem Wurzelgeheimnis, als er unter einem mächtigen Baum ein Nickerchen machte. Es sagte, es währe ihm eine wunderschöne, nackte Frau mit Blättern in den Haaren erschienen und hätte ihm davon erzählt, bevor er eingeschlafen sei. Wir alle haben aber sofort nach der Frau gesucht und selbstverständlich niemanden gefunden. Es war nur ein Traum - aber ein sehr lehrreicher.
Als wir es geschafft hatten, der Natur zumindest teilweise unseren Willen aufzuzwingen, kehrte unser Stamm zurück und von unseren Erfolgen ermutig schlossen sie sich uns an. Wir errichteten am Talgrund Höhlen aus Holz, Erde und Steinen, damit wir des nächstens nicht immer in die Höhlen in den Bergen zurückkehren mussten und bald schon lernten wird die neuen Höhlen unseren Bedürfnissen anzupassen.
Doch so perfekt diese kleine Welt auch schien, sie war es absolut nicht – im Gegenteil. Die Welt war schlecht. Oh, bitte versteht mich nicht falsch. Niemand beklagte die Zeiten in denen die Elemente in Aufruhr waren, wo Feuer vom Himmel herabregnete oder aus der Erde empor geschleudert wurde und wo aus dem Wasser ausgestossene Luft riesige Fontänen und Flutwellen verursachte. Es gab immer noch Zeugen jener Vorgänge, Zeugen für die wir auch dankbar waren: Regen, Quellen, etc.
Ja, auch die Natur war mitunter verantwortlich, dass wir hungern mussten. Doch das war erträglich, denn wir konnten lernen, und uns anpassen. Viel schlimmer aber war die Gefahr, welche uns von den Menschen - sozusagen unserer eigenen Art - drohte. Schon viermal hatten nomadische Bergstämme unser Dorf überfallen. Zweimal sogar der Stamm um den Anführer Simata.

Fortsetzung folgt ...