Gegen den Mythos Brigantai

Brigantai? Abschaum ist wohl die gängigste Übersetzung für all jene Menschen, die durch die Götter oder durch den Insellord als rechtlos erklärt wurden. Doch unter diesem einen Begriff verbergen sich die verschiedensten Schicksale:
Die Gründe zum Brigantai zu werden sind vielfältig. Etliche haben sich Verbrechen zuschulden kommen lassen, deren Bestrafung sie durch Flucht entgehen konnten. Der zweithäufigste Werdegang, den ein Brigantai zu erzählen hat, verweist auf eine Intrige oder falsche Anschuldigungen, die ernsthafte Konsequenzen hätten haben können. Es braucht nicht viel Vorstellungsvermögen nachzuvollziehen, dass viele dieser Geschichten geschönt wurden und vermutlich eher in die Kategorie “Verbrechen“ gezählt werden müssen. Nur wenige haben freiwillig das Leben als Brigantai gewählt. Wenn dann sind Gründe wie Gleichberechtigung (natürlich vor allem bei Frauen) oder Rebellion gegen die Hierarchie (unter anderem Bauern, die trotz Waffenverbot an den Klingen ausgebildet werden möchten) am meisten vertreten. Ein letzter, wenn auch nicht allzu häufiger Werdegang ist die Geburt als Brigantai.
All diesen Menschen ist nur eines gemein; der unbändige Wille zu überleben. Dass sich die Brigantai hierzu in Gruppen zusammenschliessen ist zwar die gängigste Variante, doch hat man auch schon von einigen (erfolgreichen) Einzelkämpfern gehört. Meistens verstehen die Brigantai etwas vom Kampf, sei es nun mit Pfeil und Bogen, Ackergeräten oder gar Schwingen. Doch wozu sie dieses Geschick einsetzen ist sehr unterschiedlich. Friedliche Gruppierungen verteidigen sich bloss gegen die Untiere der jeweiligen Fauna, taktisch geschickt geführte Gruppen verdingen sich manchmal gar als Söldner (die oft nicht ganz legalen oder moralisch einwandfreien Aufträgen kommen dann oft via Mittelsmann aus einer Stadt: von reicheren Bürgern oder gar vom Hofe(!)) und aggressive Gruppen ziehen plündernd und brandschatzend durch die Dörfer und überfallen Reisende und Transporte. Solche Taten, auch wenn sie oft zum Überleben der Brigantai unablässig sind, bestärken selbstverständlich die Volksansicht vom gefährlichen, blutrünstigen Brigantai. Kein Wunder, dass die meisten Insellords diese Plage auszurotten oder sie auf ein unbedeutendes Mass zu verringern versuchen. Kein Wunder besteht ein natürlicher Hass der Brigantai auf die Guerai und die Schwertmeister des Insellords, denn von diesen werden sie nur als Tiere angesehen, die keinerlei Recht haben. Dementsprechend ist der Umgang nicht gerade zimperlich – auf beiden Seiten.
Auch wenn das Bild der Brigantai als wilde Männer (und Frauen) in vielen Fällen zutreffen mag, so besitzen sie innerhalb der Gruppen zumeist strenge Regeln, Sitten und Bräuche. Nicht selten sind dies die gleichen, die man auch in den Dörfern und Städten findet. Religion, der Glaube an den Richtspruch nach dem Tode und die Wiedergeburt in einer neuen Kaste, führt zu interessanten Konstellationen. Oftmals sehen die Ausgestossenen ihr Schicksal als Strafe, die sie aber bis zu ihrem Lebensende sühnen können. So werden viele Verhaltensregeln niemals in Frage gestellt und auch die Gebote des Kampfes werden selbst bei einem Duell gegen einen Guerai vielerorts respektiert und eingehalten. Und wenn die Gruppen sich ganz von den Traditionen abgewendet haben, so herrscht in ihren Reihen immer noch das in Tharun allgegenwärtig Gesetzt des Stärkeren.
Wie jede andere Brigantaigruppe ist auch jene von Hamur ein Spezialfall. Eine schon relativ lange Geschichte mit viel Leid und ihre nicht gerade unbedeutende Grösse von knapp hundert Personen machen das Lager, dem wir uns im Folgeden zuwenden zu etwas Besonderem.